28
Aug
2008

"You say, my Voice sounds like a Grandma and it's not even that far!"

Liebes Blog,

Ohne größere Umschweife möchte ich nun die Rohfassung des ersten Kapitel meines Romanes präsentieren. Viel Spaß, wünsche ich. :)

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Hamburger Fugu

Wenn man schon so Hals über Kopf nach Hamburg flüchtet, in der Hoffnung, dass die Stadt einen zumindest metaphorisch gesehen mit offenen Armen empfängt, sollte man meiner Ansicht nach nicht den Fehler machen die Stadt (metaphorisch gesehen) zu verärgern, indem die erste Station, die man als von tief verwurzelten Hungergefühlen heimgesuchter Reisender nach einer zwölfstündigen Zugfahrt anläuft eine handelsübliche McDonalds-Filiale darstellt. Wo blieben denn da die guten Manieren und die ganzen anerzogenen Charakteraufpolierungstricks?! Eben.

So hatte ich mich an diesem Juninachmittag (metaphorisch gesehen) mit der Stadt im Pirat verabredet, einem mir von einer Mitreisenden mit ziemlich großer Brille, ziemlich altbackenem Outfit und einer ziemlich langatmig penetranten Art Anekdoten bis zur Unkenntlichkeit zu zerkauen, empfohlenen Fischrestaurant,. „Ich suche da etwas für den kleinen Geldbeutel", hatte ich ihr auf der Zugfahrt als Hauptauswahlkriterium in ihre Ohrmuschel gesät und prompt ein „Nun, sie suchen wohl eher etwas für den kleinen Geldbeutelinhalt. Auch große Geldbeutel können leer sein, junger Freund." , geerntet - was dann hoffentlich auch keine Fragen zu meinem Abteilswechsel zwanzig Minuten nach ihrer Bekanntschaft mehr offen lassen dürfte.

Hamburg hatte sich für diesen Termin auch richtig in Schale geschmissen. Keine Spur vom verregneten, kalten, windigen Hamburg, von dem man immer wieder in Zeitungen, Büchern oder Liedtexten hört. Auf stolze 25°C im Schatten brachte es die Hansestadt an diesem Tag und durch die sanfte Brise, die diverse Gegenstände durch die Luft tanzen ließ und das angenehme Hintergrundrauschen der Alster entfesselte sich gar ein maritimes Flair. Keine Frage, uns beiden stand eine wunderbare Zukunft bevor.

Der Pirat hatte augenscheinlich nicht die Absicht eine Hehl daraus zu machen, dass er als Empfehlung für Leute mit kleinem Geldbeutel(inhalt) und geringen Ansprüchen hoch im Krus stand. Die mit schätzungsweise 300 Posterschichten verklebte Fassade schrie dermaßen nach einem neuen Anstrich, dass sicherlich jeder Passant während des Vorbeilaufens kurz mit dem Gedanken spielte nach Hause zu laufen und einen Eimer Farbe und eine Leiter zu besorgen, um sich keinen Ärger wegen unterlassener Hilfeleistung einzuhandeln. Im Außenbereich des Restaurants waren ein paar von diesen wackeligen Eiscafé-Tischen der Marke „Wage-es-nicht-mal-daran-zu-denken-hier-etwas-abstellen-zu-können-ohne-dass-es-sofort-runterfällt" aufgebaut. Vor dem Eingang stand ein Kellner, der offensichtlich Pate für den Restaurantnamen stand. Seine fettgeträkte Schürze schrie mit der Außenfassade um die Wette – allerdings weniger nach einem Anstrich, sondern eher nach einer Waschmaschine. Genau genommen hätte der ganze Kellner in die Waschmaschine gehört und nicht nur seine Schürze.


Doch von diesen leichten Unstimmigkeiten in meinem traumhaften Stadtpanorama wollte ich mir die Laune nicht verderben lassen. Ich hatte schließlich allen Grund dazu in meterhohes Luftgespringe zu verfallen. Immerhin saß ich hier mit einer metaphorisch aufgebrezelten Dame und alle Zeichen standen auf „Futter". Inzwischen fasste ich es sogar schon als Glück auf, dass ich hier niemanden sonst kannte. Wer man selbst unbekannt ist, sind es die eigenen Schwächen schließlich auch. Und die erste in einer Unzahl von vorhandenen Schwächen offenbarte sich gleich nach dem Aufklappen der Speisekarte. Forelle, Hecht, Goldbarsch. Wenn es etwas gab von dem ich noch weniger Ahnung hatte als von Fischen, dann waren das sicherlich Fischgerichte. Die Fische, die dazu imstande gewesen wären, mein Gehirn mit gut plazierten Assoziationen wach zu rütteln, wurden leider auf der Karte nicht namentlich erwähnt. Besonders schade fand ich, dass auf der Speisekarte weit und breit kein Fugu zu finden war. Das ist dieser japanische Kugelfisch, der zu 99% aus tödlichem Ätzgift besteht, jedoch dafür auch 1% vorzügliche Geschmacksnervenstimulation vorzuweisen haben soll. Das wäre jedenfalls ein gebührender Einstand in meiner neuen Wahlheimat gewesen. Ich hatte schon sehr viele Risiken auf mich genommen, um überhaupt hier stehen zu können, da wollte der Adrenalinspiegel natürlich weiter unterhalten werden.

Aus besagtem Fugu-Mangel entschied ich mich nach längerem Speisekartengestöber für den Goldbarsch, die Pellkartoffeln und eine große Flasche San Pelegrino. Ich wollte mein neues Leben schließlich mit einer extra Portion Gesundheitsbewusstsein starten. Es dauerte keine zehn Minuten, da warf mir Long John Kellner auch schon mit einer gelangweilten aber dennoch gekonnten Bewegung den Fisch vor die Nase. (Und dieses „warf" ist hier keinesfalls umgangssprachlich gemeint.)
Während ich noch darüber nachdachte, ob dieses Werfen vielleicht sogar notwendig ist, damit die Teller den optimalen Aufpralldrall bekommen und somit nicht vom Tisch fallen, schaufelte mir meine Hand motorisch den ersten Goldbarschbissen in den Mund. Mein Magen und mein Kiefer beschlossen daraufhin, dass aufgrund meines enromen Hungers keine Zeit mehr für irgendwelche Kau-Sperenzchen blieb und so schluckte ich den bereits durch kurze Mundhöhlenberührung stark bespeichelten Fischklumpen in einem Haps herunter.

Was dann folgte lässt sich wohl am Besten mit den Worten „akuter Erstickungsanfall" umschreiben und verlieh meinem Gesicht wohl in aller Kürze das Antlitz eines farbenprächtigen Pfaubürzels. Keuchend und Hustend wand ich mich auf dem Boden. Captain Hook für Arme lümmelte weiterhin zahnstocherstochernd vor dem Restauranteingang herum und machte keine Anstalten mir zu Hilfe zu eilen. Ganz im Gegenteil, solch ein Anblick schien sich ihm wohl mehrmals am Tag zu bieten, so seelenruhig wir der da stand. Andere Gäste als mich und die metaphorisch-olle Frau Hamburg hatte das Restaurant leider nicht in Petto, weshalb ich mich mit einer Mischung aus Wehen, Flehen, unverständlichen Krächzlauten und dem intensivsten Hundeblick, der sich auf die Schnelle in meinem Gesicht realisieren lies, den vorbei huschenden Passanten zuwendete. Besonders vertrauenerweckend kann das wohl nicht ausgesehen haben, denn die meisten schauten mich an als wäre ich der uneheliche Sohn von Florian Silbereisen Pikatchu. Langsam wurde mir schwarz vor Augen und ich sank immer und immer mehr in mich zusammen. Meine einzige Hoffnung war nun, dass ich vor dem obligatorischen Teil sterbe, an dem mein ganzes Leben an mir vorbeizieht. Dieses ganze Elend im Zeitraffer wäre wirklich zuviel für mich gewesen. Und falls es doch sein musste, dann sollte der feine Herr Zeitraffer doch bitte soviel Einfühlungsvermögen an den Tag legen und die letzten 3 Monate überspringen.

Doch bevor ich Zeuge meiner eigenen Geburt wurde, spürte ich plötzlich ein vehementes Drücken in der Magengegend und ein gleichmäßiges Klopfen auf dem Rücken. Kurze Zeit später flog der Bollen (der sich im übrigen optisch kaum von seinem Ursprungszustand entfernt hatte) in hohem Bogen aus meinem Rachen und kullerte direkt unter einen der Tische. Da der erbrochene Fischklumpen mehr Zeit mit meinen Geschmacksnerven verbringen konnte als der frisch vom Teller gepflückte, bemerkte ich erst jetzt, dass das Ding quasi ausschließlich aus Gräten bestand. „Das war verdammt knapp. Wäre echt schade gewesen, wenn Du den Löffel abgegeben hättest, ohne die Stadt richtig kennenzulernen", sagte die Stimme hinter mir, die offenbar mit der Rettungsaktion in Verbindung stand.

Ein flüchtiger Blick nach hinten lüftete das Geheimnis. Die Stimme gehörte zu einer quirligen, jungen Frau mit durcheinander gewirbelten, halblangen, rotbraunen Haaren, die aufgrund ihrer genetischen Voraussetzungen wohl als haushoher Favorit bei jedem Limbo-Contest teilnehmen könnte. Mit anderen Worten: Sie ging mir grade mal bis zum oberen Teil des Bauches. „Woher weißt Du, dass ich neu in der Stadt bin?" fragte ich immer noch leicht verdattert. „Na, erstens weil Du hier versucht hast was zu essen und zweitens weil Du hier versucht hast Goldbarsch zu essen. Den Barsch vom Piraten nennt man hier auch Hamburger Fugu!", sagte meine Retterin mit breitem Grinsen und schob ein „Mein Name ist Sabine, Du klannst mich Traxi nennen. Nett Dich kennenzulernen." hinterher.

Traxi? Tja, dagegen konnte man mein „Angenehm, danke für die Rettungsaktion. Ich heiße Rocci. Du kannst mich ... äh ... Rocci nennen!" natürlich in die Tonne treten. „Ich werde Dich Roc nennen", entschied sie nach kurzer Überlegung. „Das gefällt mir besser."
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