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Aug
2009

"I'm running down the Road, tryin to losing my Load ..."

Liebes Blog,

30.07.2009: Tag 1

Der heutige Tag stand unter dem Motto "Los gehts!" und zwar sowohl mit dem Urlaub als auch mit meinem Reisebericht. Ich jedenfalls hätte mir gestern Abend noch nicht träumen lassen, dass es an diesem ersten - genau genommen halben - Urlaubstag hier im schönen Hafenstaedchen Portocolum überhaupt etwas interessantes zu sagen gaebe, sodass sich ein berechtigter Platz in einem solchen Reisebericht fände. Wie so oft in meinem Leben wurde ich auch dieses Mal eines Besseren belehrt.

Fuers Protokoll/Verständnis: Portocolum liegt an der Ostkueste der Number One Ferieninsel (fast) aller Deutschen - Good ol' Mallorca. Ich für meinen Teil bin zum ersten Mal auf der Insel, wie auch Nigel. Bis jetzt hatte ich auch niemals die Notwendigkeit eines Abstechers hier her verspürt. Welche Gründe Nigel fuer seine bisherige Mallorca-Abstinenz vorzuweisen hat, weiss ich leider nicht - muss ich vielleicht mal fragen. Es war auch mehr ein Zufall, dass wir zwei hier gelandet sind. Als wir im Frühling einmal über unsere Urlaubsabsichten sprachen, sagte ich, dass ich mir in diesem Jahr einen richtigen Erholungsurlaub wünsche. So die Den-ganzen-Tag-am-Pool-rumgammel-Nummer. Nigel erwiderte ihm sei viel mehr nach - Achtung Zitat - "Nonstop-Party-Action". Da erschien ins Mallorca als perfekter Stiller unserer beider Bedürfnisse. Gesagt, gebucht, geflogen.

Wobei das mit dem Fliegen schon ein kleines Anekdötchen für sich wert ist. Nigel ist nämlich vorher noch niemals geflogen und hatte deswegen vor dem Flug auch entsprechend Panik. Genau genommen ist das so auch gar nicht die vollstaendige Wahrheit. Er ist sehr wohl schon mal in einem Flugzeug gesessen als seine Eltern damals von den Vereinigten Staaten nach Deutschland gelogen sind, aber zu dieser Zeit war er noch zu klein um Angst zu haben, wie er selbst stets betont. Über was der sich alles Gedanken machte. Terroristenflugzeugentführungen, Triebwerkausfälle, Flügelbraende (ein- und beidseitig) und so weiter. Versteh ich gar nicht, wo doch wissenschaftlich erwiesen ist, dass sowohl Flüge als auch Vollnarkosen viel sicherer sind als eine kleine Spritztour im handelsüblichen Kleinwagen.

Nigel hatte trotz meines flammenden Plädoyes für die Luftfahrt die Hosen gestrichen voll. "We're already dead, Bro!" rief er schon in immer kürzer werdenen Abständen in der Ablughalle. An dieser Stelle sollte vielleicht erwähnt werden, dass Nigel nur Englisch spricht. Und das obwohl er schon seit seinem dritten Lebensjahr in Deutschland lebt. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung wie er sich mit dieser Haltung durchs Abi gemogelt hat, aber mir macht das nicht sonderlich viel aus. Ich spreche gern Englisch und nutze jedes Gespräch mit ihm um meine Sprachkenntnisse in diesem Berech zu verbessern. Leider hat Nigels Englisch einen gehörigen Ghetto-Touch, sodass ich gut aufpassen muss, mir nicht zuviel von ihm abzuschauen.

Ich kenne Nigel schon seit Ewigkeiten und kann mich so auf die Schnelle auch nur wage daran erinnern, wie wir uns kennengelernt haben. Ich glaube, es war auch einer dieser unerträglichen Sechste-Klasse-Techno-Partys damals. Spielt für den weiteren Verlauf der Reise auch keine größere Rolle, denke ich. Er nennt mich schon "Bro" so lange ich ihn kenne. Ich empfinde das als Ehre, da ich ja nicht mal schwarz bin. Nigel ist dafür schwarz wie die Nacht. Mit seinen kurz geschorenen Haaren, seinem durchtrainierten Körper und seinen strahlend weissen Zähnen könnte man ihn ohne große Änderungen direkt als Actionfigur in den Laden stellen. Würde He-Man und Konsorten wohl ziemlich alt aussehen lassen. Ein Womanizer ist der drahtige Nigel natürlich auch, keine Frage. Ich hoffe ich komm in unserem Doppelzimmer wenigstens dann mal zur Ruhe wenn er sich auf die nächste Bettgespielinen-Pirsch begiebt.

Eben dieser mir sonst in allen Lebenslagen haushoch überlegene Nigel saß nun heute zusammengekauert wie ein Häufchen Elend neben mir im Flieger und brummelte angsterfüllte Flüche in seinen nicht vorhandenen Bart. Wenigstens konnte ich mich da mal stark fühlen. "Don't worry, Nigel. Only 40/30/20/10 Minutes left!", versuchte ich ihn immer wieder zu beschwichtigen. Eins ist klar, der wir niemals im Leben auch nur einen Fuß in sein Heimatland setzen. Ausser vielleicht, man karrt ihn per Schiff rüber.

Aber auch der aufreibenste Flug geht mal zu Ende und so fanden wir uns um 13:30 Uhr pünktlich am Flughafen Palma wieder und bestiegen erleichtert den Kleinbus, der uns zu unserem Hotel bringen sollte. Der Busfahrer machte durch seinen Fahrstil gleich zu Beginn auf eindrucksvolle Weise klar, dass es zwar sicher viele Dinge auf der Welt gibt, die er nicht hat, Zeit jedoch nicht dazugehört - dafür aber eine Klimaanlage. So schlichen wir im Schneckentempo durch die unerträgliche Nachmittagshitze bis sich mein Körper vor Erschöpfung den Umständen ergab und ich einschlief. Aufgewacht bin ich erst als die 2 1/2-stündige Fahrt (Entfernung Palma - Portocolum: 56 km) zu Ende war und wir aussteigen durften.

Kaum standen wir vorm Hotel bemerkte ich, dass auf meinem Handy zehn neue Kurzmitteilungen mit jeweils relativ ähnlichem Inhalt im die Wette blinkten. Drin standen Dinge wie "Hey, hab gerade erfahren, was auf Mallorca los ist. Ist bei Dir alles klar?" oder "Ich mach mir echt Sorgen! Lebst Du noch?". Weder ich noch Nigel (dessen Handy gefüllt mit ähnlichen SMS in englischsprachiger Variante war) hatten auch nur den Hauch einer Ahnung, um was es geht. Als ich einem der Absender - meiner guten Freundin Katrin - zurückschrieb und um Aufklärung bat, schrieb sie, dass um 14 Uhr in Palma einen Autobombe der Eta hochgegangen sei und dabei zwei Polizisten getötet wurden. Deswegen sei jetzt auch die ganze Insel evakuiert. Na, das war ja klar - da flieg ich einmal hier her und dann passiert sowas. Ich ziehe solche Dinge leider magisch an. Nigel und ich taten das, was man als Urlauber in einer solchen Situation tut: Wir beantworteten die SMS-Flut, zuckten mit den Schultern und betraten das Hotel.

Das Capecolom - so der einfallsreiche Name des 4-Sterne-Hotels - sah von Innen genauso aus wie von Aussen: Schön, einladend, sauber. Während ein gewisser Andru Donalds über die Lautsprecher verkündete, dass er wohl niemals über seine Mishale hinwegkommen wird, wurden uns von der kleinen spanischen Rezeptionistin unsere Zimmerschluessel und unsere All-Inklusive-Bändchen (gelb für die Gäste, blau für die Mitarbeiter) ausgehändigt. Zimmer Nummer 413, vierter Stock also. Da Nigel genauso faul ist wie ich, beschlossen wir den Aufzug zu nehmen. Dieser stellte auch gleich den ersten offensichtlichen Makel am Capecolum dar: Er war einfach viel zu klein. Im Inneren wurde man durch eine Metalltafel daruber aufgeklärt, dass hier angeblich vier Personen mit einem Gesamtgewicht von 350kg Platz fänden. Halte ich jedoch für ein Gerücht (und Nigel auch).

Oben angekommen legte sich der Aufzuggroll bei genauerer Betrachtung unseres liebevoll eingerichteten Zimmers schnell wieder. Hier war zwar nur das da, was nötig war, aber dafür auch in ausreichendem Maß. Großes Bett, geräumige sanitäre Anlagen, ein Flachbildschirmfernsehgerät, gebettet in einer unaufdringlichen Deko - was will man mehr?! Wir hatten unsere Trollis noch nicht ganz geöffnet, da klingelte schon das Telefon. Ich nahm ab. Ein hektisch englisch sprechender Mann war daran und fragte mich, ob er hier richtig bei Mr. Cornwell wäre. Ich gab das Gespraech an Nigel weiter, der binnen Sekunden nicht minder aufgeregt klang. Als er den Hörer nach wenigen Minuten wieder auflegte, erklärte er mir, dass der Herr von den NBC Nachrichten war. Sie hatten aufgrund des Terroranschlags hier nach Urlaubern mit amerikanischer Nationalität (und die hatte Nigel ja - Flugangst hin oder her) gesucht, um sie zu interviewen.


Zehn Minuten später fuhr ein Wagen der CNN News vorm Capacolum vor in dem Nigel für eine ganze Weile verschwand, nur um mir danach mit einem breiten Grinsen in die Augen zu treten. "Haha, I screwed them all, Bro! They gave me Vouchers for free Diving Lessons!" Als ich genauer nachfragte erzählte er mir, dass er für das TV-Interview ordentlich auf die Tränendrüse gedrückt hatte. Von wegen, er sei ein armer Maisbauer aus den Südstaaten, der zum ersten mal in seinem Leben das Land verlassen hatte und nun völlig eingeschüchtert vorm bösen Europa sei. Er sehne sich nach seiner Heimat ... blabla ... and the Home of the Great, schon klar. Die Reporter hatten den Schund auch noch geschluckt und ihm aus Mitleid einen kostenlosen Tauchlehrgang geschenkt. Dieser Hund. Naja, es sei ihm gegönnt. Ich werde eh viel zu beschäftigt mit Sonnenbaden sein, in den nächsten Tagen.

Genauere Hotelgästeanalysen werden wohl auch erst morgen folgen. Einzig ein ziemlich grob wirkender Mittvierzieger, der wie eine Mischung aus Ralf Möller und einem Kohlebrikett aussieht ist mir mit seiner - höchstwahrscheinlich minderjaehrigen - Freundin bei meiner letzten Aufzugfahrt heute Abend unangenehm aufgefallen. Also, nicht dass er mir was getan haette. Mein Menschenkenntnisalarm hat nur wie doll gebimmelt als ich ihn zum ersten Mal sah. Ich werde die Sache weiter beobachten. Jetzt ist erst mal Zeit fürs Bett. Party-Nigel schläft sogar schon und das will was heissen. Wenn das Bett nur annähernd so bequem ist wie es aussieht stehen mir noch rosige Zeiten bevor.
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